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Impressionen aus Chelm

Welche Lage haben wir vorgefunden?

Die polnische Kleinstadt Chełm liegt etwa 25km vom Grenzübergang Dorohusk entfernt und ist einer der Hauptumschlagorte für ukrainische Flüchtlinge. Am Bahnhof, von der Größe vergleichbar mit dem früheren Heider Bahnhofsgebäude, wurde auf die Schnelle ein Grenzkontrollpunkt eingerichtet. Hier treffen pro Tag durchschnittlich 5000 Menschen aus der Ukraine ein und werden dann in Notunterkünfte oder in Anschlusszüge nach Warschau, Posen oder Berlin verteilt. Die Züge kommen nahezu unvorhersehbar in Chełm an, die Vorlaufzeit beträgt ca 30min, und die Flüchtlinge werden dann Waggon für Waggon ins Bahnhofsgebäude geleitet. – Pro Zug bis zu 2000 Menschen, jeweils mit kleinem Gepäck und zum Teil Haustieren. Pass- und Veterinärkontrolle, Sortierung und Weiterleitung sind von staatlicher Seite organisiert und durch Militär, Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr zusätzlich personell verstärkt. Eine Ausgabe von warmen Suppen und Getränken an der einen Stelle, eine Ausgabe von weiteren Lebensmitteln, Babynahrung, Hygieneartikeln an der anderen Stelle der Bahnhofshalle werden durch private/zivile Initiativen gestemmt. Bereits relativ früh zu Beginn der Fluchtbewegung nach Chełm hatte sich eine kleine Gruppe deutscher Sanitäter und ein Trupp der kleinen französischen Hilfsorganisation „Secouristes Francaise de Croix Blanche“ auf eigene Faust nach Chełm begeben und im Bahnhofsgebäude eine provisorische Sanitätsstation errichtet, um den ankommenden Flüchtlingen zu helfen. In diese behelfsmäßige Station stiegen wir ein, nachdem die deutschen Sanitäter bereits wieder abgereist waren.

Wie konnten wir persönlich helfen?

Vielfach beschränkte sich unsere Tätigkeit am Bahnhof auf die Behandlung einfacher Anliegen wie Kopfschmerzen oder Verstopfung, typische Folgen einer bis zu 50-stündigen Eisenbahnodyssee.

Die häufigsten Vorstellungen bei uns erfolgten jedoch auf Grund erhöhter Blutdruckwerte, Stressreaktionen, fehlender Dauermedikamente wie Insulin oder Blutdruckmedikamente, welche wir dann aushändigen oder in der nahegelegenen Apotheke für die Flüchtlinge erwarben. Die Sprachbarriere wurde in den meisten Fällen erfolgreich mit Hilfe von Google Translator oder (meist zufällig) anwesender Dolmetscher überwunden. Darüber hinaus waren chronische Wunden zu versorgen, nur selten sahen wir akute Verletzungen, noch seltener Kriegsverwundungen.

Mehrfach mussten wir in die überfüllten Züge steigen, um erschöpfte Menschen, überhitzte Kinder zu untersuchen, zu versorgen und/oder aus dem Zug zu holen.

Wohin gingen die erhaltenen Spenden?

Zuerst sagen wir von Herzen vielen Dank für die großzügigen Sach- und Geldspenden! Alles ist dort angekommen, wo es gebraucht wird, oder kommt weiterhin dort an.

Den größten Teil konnten wir am Bahnhof von Chełm zum Weitertransport an eine ukrainische Verteilstelle in einem der zurückfahrenden Züge übergeben. Weiteres Material übergaben wir direkt am Grenzübergang an den Leiter des Grenzpostens, der eine Sammlung für ein Krankenhaus in Lwiw koordinierte, sowie an eine deutsche Ärztin in einer der Notunterkünfte in Chełm, die sich insbesondere über die zahlreichen Medikamente dankbar zeigte.

Darüber hinaus kauften wir von den Spendengeldern im Laufe der Woche für die Ausgabestelle am Bahnhof weitere Materialien ein: Babynahrung, Tierfutter, Hygieneartikel, Getränke, Fertiggerichte, Einweggeschirr,… Der Bedarf vor Ort ist immens bei der großen Zahl an Geflüchteten, die jeden Tag diese Ausgabestelle passiert. Derzeit prüfen wir Möglichkeiten, genau diese Stelle finanziell aus der Ferne weiter zu unterstützen. Ungefähr ein Zehntel der erhaltenen Geldspenden wurden für Kraftstoff und Maut für die beiden Fahrzeuge verwendet, wie schön beschrieben kauften wir Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs für die Flüchtlinge vor Ort. Von dem noch verbliebenen Geld werden noch gezielt Unterstützungen für die ankommenden Flüchtlinge in Chełm, und -entsprechend der Ankündigung vor Abreise- für den ukrainischen Tierschutz finanziert.

Ca 250 Kfz-Verbandkästen hatten wir bereits vor Abreise an die HOELP übergeben, die diese direkt in die Ukraine geliefert hat.

War der Einsatz gefährlich?

Nein, zu keinem Zeitpunkt bestand eine Gefahr für uns oder die anderen Helfer. Es gab keine Aggressionen und erst recht keine Gewalt vor Ort. Es sind lediglich viele – sehr viele Menschen an einem verhältnismäßig kleinen Ort. Auf unsere persönliche Sicherheit, insbesondere mit Blick auf Infektionsrisiken -die wenigsten der Geflüchteten tragen Masken, und in Osteuropa ist auch Tuberkulose ein wichtiges Thema-, haben wir stets geachtet. Corona, muss man sagen, ist vor Ort in Anbetracht der Situation jedoch kein Thema. Unsere zahlreichen Testungen nach unserer Rückkehr erwiesen sich erfreulichererise als negativ.

Wie ist unser persönliches Fazit?

Wir sind über die Maßen froh, dass wir vor Ort helfen konnten, und dass wir eine so unfassbar große Unterstützung von vielen Seiten erfahren haben. Es ist aus unserer Sicht vor allem die Zivilgesellschaft, die hier in Deutschland, aber auch in Chełm Unglaubliches leistet und möglich macht. Große Hilfsorganisationen sucht man vor Ort vergebens. Das Augenmerk der polnischen Behörden liegt auf Transport und behelfsmäßige Unterbringung der Flüchtlinge, medizinische Versorgung oder eben die Ausgabe verschiedener Dinge des alltäglichen Bedarfs spielen eine untergeordnete Rolle und werden nahezu ausschließlich von Eigeninitiativen gestemmt. Nach aktuellen Informationen aus Chełm (Stand 25.3.) wird auch die Gruppe des französischen Croix Blanche am Samstag abreisen, woraufhin offenbar ab Sonntag keine medizinische Versorgung am Bahnhof mehr stattfindet. Dies ist für uns persönlich natürlich mehr als nur bedauerlich, für die Landschaft der internationalen Hilfsorganisationen eine Schande.

Wir haben unendlich tolle Menschen kennengelernt, die vollkommen selbstlos und unermüdlich Hilfe leisten, jeder wie er kann. Wir trafen beeindruckende ukrainische Mütter, die neben der kräftezehrenden Flucht mit ihren Kindern selbst auch mithelfen wollen.

Engagierte deutsche Geschäftsleute, die Helfern vor Ort wie uns eine Unterkunft organisieren, Busse für Geflüchtete chartern und versuchen, Kontakte zu Behörden und Institutionen zu vernetzen.

Danke!

Wir danken den vielen Menschen hier zuhause, die teilweise über ihre eigentlichen Möglichkeiten hinaus geholfen und gegeben haben. Folgende lokale Unternehmen verdienen ebenfalls Dank und Erwähnung, da sie uns unterstützt haben, ohne davon einen steuerlichen Vorteil erwarten zu können: Rungholt-Apotheke Heide (Medikamente), Reifen Meyenburg (Bereitstellung eines Transporters), Jawoll Heide (Transportboxen), EDEKA Frauen Heide (Babynahrung), Famila Heide (Babynahrung, Windeln und Wolldecken), Fa. Lange aus Marne (Geldspende), Tischlerei Doose Hemmingstedt (Geldspende), Blatt und Blüte Hemmingstedt (Geldspende), Nord-Ostsee-Automobile Heide (Geldspende), Rettungsdientkooperation in Schleswig-Holstein (Bereitstellung von medizinischer Ausrüstung), Westküstenklinikum Heide (medizinisches Material), Hesto-Med Lübeck (Bereitstellung eines Defibrillators).

Wir danken der Kirchengemeinde Hemmingstedt für die Kollekte zu Gunsten unserer Aktion, der Grundschule Hemmingstedt samt aller Schülerinnen und Schüler und deren Eltern für die Spendensammelaktion, dem Team der Hausarztpraxis Hemmingstedt für die Inkaufnahme zusätzlicher Belastungen und ganz besonders unserer Familie für einfach alles!

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